Angela Kobelt

Angela Kobelt ist Theatermacherin, Produktionsleiterin und Pädagogin. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören darstellende Künste im öffentlichen Raum, performative Audiowalks und multimediale Spektakel. Als Gründungs- und Vorstandsmitglied von Kulturkosmos Leipzig e. V. ist sie im Laufe der Jahre zur Expertin in der Leitung multidisziplinärer Teams geworden. 

 

Sie interessiert sich leidenschaftlich für Geschichte, besonders für die des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ein Schwerpunkt ihres Interesses liegt auf Wirtschaftsgeschichte und den Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. 

 

Kobelt hat einen Magistertitel in den Fächern Theaterwissenschaft, Pädagogik und Literaturwissenschaft. Außerdem ist sie ausgebildete Finanzbuchhalterin.

Angela Kobelt

AD ACTA

Zu den Akten

 

Für May Town in Zetkin Park führt sie uns zu den Akten des Kaiserlichen Kolonialteams in Berlin. Die „Kolonialausstellung“ war eine Attraktion der STIGA 1897, für die besonders viel Reklame gemacht wurde und die eine große öffentliche Aufmerksamkeit erhielt. Ein Bestandteil von ihr war das „Afrikanische Dorf“. Um diesen einem Anschein von Authentizität zu geben, waren in der Kolonie Deutsch-Ostafrika 50 Menschen angeworben worden. 46 von ihnen kehrten Ende 1897 wieder in ihre Heimat zurück, vier waren gestorben. Betreiberin des „Afrikanischen Dorfes“ und der „Kolonialausstellung“ war die „Deutsch Ostafrikanische-Ausstellung G.m.b.H.“. Diese Firma war von einem ehemaligen Kolonialoffizier gegründet worden, der auf dem Gebiet des heutigen Tansanias gedient hatte und nach seiner Rückkehr nach Deutschland sein Glück als Geschäftsmann versuchte. 

 

Leutnant a. D. Karl Blümcke hatte im Leipziger Bankhaus H. C. Plaut einen solventen Geldgeber gefunden, der das nötige Startkapital für die GmbH lieferte. Nötig für Blümckes Geschäftsidee war aber nicht nur Eigenkapital, sondern auch politische Unterstützung. Für seine Ausstellung benötigte er die Zustimmung des Kaiserlichen Kolonialamtes in Berlin sowie des deutschen Gouvernements in Sansibar. Ohne die Einwilligung dieser beiden Institutionen wäre es ihm nicht möglich gewesen, 50 Schwarze Frauen und Männer von Afrika nach Europa zu holen. Nicht nur aus diesem Grund schrieb Blümcke im Oktober 1896 einen Brief an das Kaiserliche Kolonialamt nach Berlin.

 

Es begann eine rege Korrespondenz, die zahlreiche weitere Briefe und Aktennotizen zur Folge hatte. Dieser Schriftverkehr ist archiviert worden und mittlerweile auch digital verfügbar. In den Akten finden sich zahlreiche Informationen zum „Geschäftsmodell“ Kolonialausstellung. Leutnant Blümcke, diverse Beamte sowie Vertreter des Bankhauses H. C. Plaut schreiben einander zu organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen. Zwischen den Zeilen ist auch immer wieder zu erkennen, welche Triebkräfte ihr Denken und Handeln bestimmen. Die alten Handschriften in den Akten sind schwer zu lesen. Man braucht sehr viel Zeit und Geduld, um alles zu entziffern. Ein Schwerpunkt Kobelts Arbeit ist es, diesen langsamen Prozess des Entzifferns, Transkribierens, Recherchierens sowie den Umgang mit unlesbaren bzw. unlösbaren Passagen anschaulich und nachvollziehbar zu machen.

 

Ein zweiter Fokus liegt auf den Inhalten und auf den Fragen, die sich bei der Aktenlektüre stellen: Was wird hier geschrieben? Wie wird hier verhandelt? Welche wirtschaftlichen Überlegungen und kapitalistischen Zwänge steuern die Handlungen des Ausstellungsmachers? Wie werden Menschen zu Waren gemacht? Welche Rolle spielen rassistische Ideologien, wenn es um scheinbar nüchterne wirtschaftliche Themen wie Bilanz, Gewinn und Verlust geht?