Isabel Tueumuna Katjavivi

Isabel Tueumuna Katjavivi ist Multimedia-Künstlerin aus Namibia. Sie wurde vor der Unabhängigkeit der namibischen Nation in New Haven als Tochter einer britischen Mutter und eines namibischen Vaters geboren, der 27 Jahre lang im Exil lebte und in der namibischen Unabhängigkeitsbewegung aktiv war. In ihrer Arbeit nutzt sie die Kunst als Mittel zur Selbstheilung, zur Erforschung von Traumata, zum Aushandeln von Identität und zur generationenübergreifenden Erinnerung.

Isabel Tueumuna Katjavivi

NO STONE LEFT UNTURNED

 

Für May Town in Zetkin Park fokussiert sie sich in ihrer Videoinstallation No stone left unturned, was gleichzeitig „kein Stein bleibt auf dem anderen“ und „nichts bleibt unversucht“ bedeutet auf zwei Themen: Erinnerung und den Völkermord an den OvaHerero von 1904 bis 1908. Dazu verwendet Katjavivi Fotografien, bewegte Bilder, Tonskulpturen und Materialien von Orten des Traumas. 

 

Die Geschichte ist in physischen und emotionalen Räumen verankert. Denkmäler erzählen von bewaffneten Auseinandersetzungen und Siegen und von denjenigen, die durch die Kolonialmächte umgekommen sind. Gedenkstätten für die Leidtragenden und Besiegten aus den Kolonien entstehen meist erst viel später. 

 

In Namibia erinnern sich Familien an die schrecklichen Verluste der OvaHerero, Nama und anderer, die in den zentralen und südlichen Teilen Namibias lebten und während der Kolonialkriege und des Völkermords durch die deutschen Kolonialmächte starben. Durch die mündliche Überlieferung werden einige dieser Orte, die Geschichte und die Menschen in Erinnerung gerufen. Halb versteckt am Straßenrand liegen Orte, an denen Menschen anhalten, um ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Flüsse, Brücken, Bäume und Termitenhügel erzählen von den Orten, an denen OvaHerero im Widerstand gegen deutsche Kolonialtruppen gefallen sind, wo sie auf ihrer Reise vorbeikamen. Die mit Gras bewachsenen und mit Zweigen übersäten Stellen sind mit Steinen markiert. Wenn man diese Orte passiert, fügt man einen Stein zu den bereits Vorhandenen hinzu. Dieser physische Akt des Gedenkens ehrt die Gefallenen und hält die Erinnerung an sie wach.

 

Obwohl kein:e Namibier:in entführt und auf der STIGA in Leipzig 1897 ausgestellt wurde, gibt es viele Parallelen zwischen Namibia und Tansania, von wo aus die Menschen entführt und nach Leipzig verschleppt wurden. Tansania, ebenfalls eine ehemalige deutsche Kolonie, hatte gleichsam unter Generalleutnant Lothar von Trotha zu leiden. Auch sie wurden Opfer von Gewalttaten wie Lynchmorde und Hungerstode.

 

Die Verbindung zwischen den beiden Ländern in diesem Kunstwerk sind die Bismarck-Felsen, die in der Nähe von Mwanza stehen, in der Nähe des Ortes, an dem die Menschen gewaltsam nach Leipzig gebracht wurden, um dort ausgestellt zu werden. Diese Felsen erinnern an die koloniale Macht, an Anspruch und Benennung, an Auslöschung. Sie verweisen auf die Felsen und Steine, die in Namibia verwendet werden, um wichtige Orte des Gedenkens an verstorbene Menschen zu markieren und sicherzustellen, dass ihr Leben und ihre Geschichte nicht verschwindet.